Der Titorbaum (Sacoglottis trichogyna) ist der zweitwichtigste Futterbaum des großen Soldatenara.
Wenn die Produktion des Waldmandelbaumes (Dipteryx panamensis) zur Neige geht, greift der als gefährdet eingestufte grüne Papagei zu den Früchten des Titorbaumes.
Keine Frage also, dass unser Wiederaufforstungsprojekt schwerpunktmäßig auf diese beiden Regenwaldbäume setzt.
Nicht weit von unseren Wiederbewaldungsprojekten fanden wir nach langem Hin und Her einen einzelstehenden Titorbaum mit üppiger Samenproduktion.
Der freundliche Besitzer gab bereitwillig die steinharten Früchte an uns ab.
Er wusste nicht so recht, was für ein Prachtexemplar er da stehen hatte, musste sich aber gefragt haben, warum sich auf einmal ein Gringo und sein Begleiter dafür interessierten.
Natürlich klärten wir den Mann auf.
Die merkwürdig süßlich riechenden, ovalen Früchte keimen nicht sehr leicht. Der Same muss seinen Weg durch die hart Schale finden, was ihm nur bei viel Sonne und unter großer Kraftanstrengung gelingt.
Die Keimquote ist folglich sehr gering.
Nachdem wir also zwei Mal diesen Titorbaum frequentiert und dabei allerhand Samen zusammengeklaubt hatten, teilte mir ein Freund mit, dass der Titorbaum verschwunden sei. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass der Baum mit einer Kettenraupe oder einem Traktor ausgerissen worden war.
Der Besitzer des Baumes hatte schon beim letzten Besuch angedeutet, dass er das Grundstück an dessen Grenzzaun sich der Titorbaum befand, an Ananasproduzenten verpachten wolle.
Er wolle allerdings versuchen den Baum zu „verteidigen“. Schade, das scheint ihm nicht gelungen zu sein.
Konventionell angebaute Ananas wird in der prallen Sonne als Monokultur unter hohem Chemikalien- und Düngereinsatz gezüchtet.
Wer sich schon einmal Ananasplantagen in der Gegend hier angesehen hat, wird nur sehr selten auf verbleibende, schattenspendende Bäume stoßen.
Die konventionell gepflanzte Ananas ist nicht mit Regenwaldbäumen und in der Konsequenz auch nicht mit dem großen Soldatenara kompatibel.
Meist wird in Costa Rica eine Ananas des Typs MD-2 angepflanzt. Deutschland deckt seinen Ananasbedarf zu 70% mit genau dieser von hier stammenden Ananas.
Für Costa Ricaner ein gutes Geschäft: Es schafft Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen und beschert den Betreibern eine schöne Tantieme. Sogar die Grundbesitzer verkaufen gerne, wenn eine Ananasplantage expandieren möchte. Schließlich zahlen die Ananasanbauer stattliche Grundstückspreise.
Gut, wer nur einen Teil seines Grundstückes verkauft und in der Gegend bleibt, dem kann es passieren, dass nach kurzer Zeit das Trinkwasser im Tankwagen gebracht wird und sich in der Nachbarschaft Allergien und Krebserkrankungen häufen. [1]
Man hört auch schon mal, dass eine Ananasplantage Personal abstellt, um die toten Tierchen aus dem angrenzenden Fluss zu fischen, bevor sie in den Sichtbereich des angrenzenden Dorfes gelangen.
Und als Arbeiter auf der Ananasplantage sollte man auch nicht versuchen, den klimatisierten Traktor beim Ausbringen der Chemikalien zu verlassen, sollte er einmal liegenbleiben.
Dies sei sehr ungesund und verboten, sagte man mir. Besser man rufe Hilfe herbei.
Aber auch für derartige Unwegsamkeiten glaubt man bei den Ananasproduzenten eine gute Lösung gefunden zu haben: Man zahlt einfach den Arbeitern, die den ganzen Tag Chemikalien ausbringen, mehr Lohn. (geschätzt 1/3 mehr)
Neuerdings gibt es auch Klagen von Viehbauern. Diese geben an, Milch- und Fleischproduktionseinbußen zu erleiden, weil Scharen von Stechfliegen (Stomoxys calcitrans) ihre Kühe malträtierten.[2]
Diese Stechfliegen oder nahe Verwandte von ihnen sind mir bekannt, da sie je nach Wetterlage auch auf unserem Hauptgrundstück vorkommen.
Vergleichbar mit einer gepimpten deutschen Küchenfliege, kommen sie mit einem Stachel daher, vor dessen Einsatz sie keine Hemmungen haben, und fliegen einem auch gerne mal um die Ohren herum.
Wirklich lästig diese Viecher.
Nun scheinen sich diese Schmarotzer nach dem Abernten der Ananas in den verwesenden Stauden zu vermehren.
Da helfen auch die mit einem Lockstoff und Leim bestrichenen weißen Plakate in den Plantagen nicht viel, auch wenn die ein oder andere Stechfliege dran kleben bleiben dürfte.
Für den großen Soldatenara ist es allerdings Jack wie Hose, ob ihm sein Lebensraum nun durch den Ananasanbau oder durch Viehweiden streitig gemacht wird und ob sich diese beiden Produktionsmethoden im Wettbewerb miteinander befinden.
Kompatibel ist der Papagei nur mit hohen Regenwaldbäumen, die ihm Nahrung und Nistmöglichkeiten bieten.
In den letzten zehn Jahren wurden 470 km2 Ananas in Costa Rica gepflanzt. Das ist etwas mehr als die Fläche der Stadt Köln.
Wir hoffen, es kommt zu keinem dauerhaften Kompatibilitätsproblem.
Quellen:
[1] sonntaz vom 16./17. März 2013
[2] Spiegel N° 29 / 2014
wenn man das so liest!
die ananas kriegen wir hier zu spottpreisen und später sagen wir costa rica, sie dürfen den regenwald nicht abholzen, sonst gibts ärger.
drück die daumen, das die leute hier genug regenwald kaufen bei ihnen, damit wir dem etwas entgegensetzen
Da sieht man wieder wie Habgier und falsche Anreize den Regenwald zerstören,
Beim nächsten Ananaseinkaufen werde ich an den Beitrag denken,
Herr Edelman,
Sie haben hier den Zusammenhang zwischen Regenwaldzerstörung und intensivem Monokulturanbau schlüssig an Hand eines Beispieles dargelegt.
Oftmals wird es jedoch nicht nur einen Baum treffen, dessen Wichtigkeit ich nicht kleinreden mag, sondern riesige Regenwaldareale.
Leider sehen wir Konsumenten in Deutschland nur die Ananas im Supermarkt liegen und sie ist keineswegs im Stande uns ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Und für wahr: Die meisten Deutschen interessiert es doch überhaupt nicht.
Danke für Ihre seriöse Berichterstattung „live von der Front im Regenwald“!
Herzlichst,
Dorian Grey