Was ist von „Original Unverpackt“ zu halten?
Wer heute einen Einkauf im Supermarkt macht bringt neben den Produkten stets beachtliche Mengen an Verpackungsmaterial mit nach Hause.
Selbiges landet meist nach einmaliger Nutzung im Müll.
Besonders ärgerlich ist dies bei Verpackungen, die problemlos mehrfach genutzt werden könnten. Nervig sind aber auch Verpackungen, welche das gleiche Produkt mehrfach verpacken, obwohl es auch eine simple Verpackung getan hätte.
Eine altbekannte Problematik, für die es schon mal eine Lösung gab: Den Tante Emma Laden.
Mein Vater weiß noch von solchen kleinen Läden zu berichten. Dort wurden die meisten Lebensmittel en gros vorgehalten und vom Besitzer höchstpersönlich gewogen und in Papiertüten abgefüllt.
Während des Wartens gab es noch den neusten Klatsch und Tratsch vom Dorf als Dreingabe. Die Milch kam von der örtlichen Molkerei, wo sie mit der Milchkanne abgeholt wurde.
Dann wurde es uncool, bei Tante Emma zu kaufen. Produkte kamen schön handlich verpackt in kunterbuntem Design in die Läden, die Motorisierung der Bevölkerung nahm zu und das Ende der Ära der kleinen Nachbarschaftsläden auf dem Land wurde eingeläutet.
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Gestern hat in Berlin Kreuzberg – einer der „In“ Gegenden der Stadt – der Laden „Original Unverpackt“ eröffnet.
Ich möchte ihn Tante Emma Laden 2.0 nennen: altes Konzept, viele Verbesserungen in Details, aber auch gewisse Nachteile im Vergleich zum gegenwärtigen Supermarkt Konzept.
Wie der Name des Ladens schon andeutet, soll man dort ohne Verpackungsmüll zu produzieren einkaufen können.
Mein Plan war es eigentlich, den Laden auf Herz und Nieren zu testen.
Ich war bestens vorbereitet – schließlich war die Eröffnung schon länger angekündigt und so konnte ich einige Verpackungsbehältnisse aus dem konventionellen Supermarktverpackungssortiment nach Benutzung bei Seite legen.
Und bereits hier merkte ich den Effekt, den der Laden auf mich ausübte. Ich musste mir überlegen, was ich denn nun einkaufen wollte und mir dann Gedanken darüber machen, wie man es am besten verpacken könnte. Wer nur mal schnell zwischen Arbeit und Freizeitstress was abgreifen möchte, könnte vom Konzept des Ladens schnell genervt sein.
Meine Einkaufsliste sah ursprünglich so aus:
- Heidelbeermarmelade
- Macadamianüsse
- Spülmittel
- Waschmittel
- Zahnpasta
- Leinöl
- Spaghetti
- Tomatensoße
- Milch
- Kaugummi
Der Laden ist einfach zu finden. Bei meiner Ankunft kam ein wenig Volksfest Stimmung auf. Der Laden war gerappelt voll.
Na gut, war ja auch nicht anders zu erwarten. Immerhin hatten die Jungs 115.000 Euro über Crowdfunding für ihre Idee eingesammelt.
An diesem Punkt stellte ich meinen Selbstversuch allerdings ein. Ein vernünftiges Einkaufen schien mir unmöglich, wenn man bei jeder Bewegung darauf achten musste, niemandem auf die Füße zu treten.
Jedoch konnte ich trotz allem jede Menge interessanter Beobachtungen machen und Fotos schießen.
Das Konzept des Ladens:
Man bringt seine eigene Verpackung mit und wiegt diese auf einer handelsüblichen Digitalwaage mit Etikettenausdruck. Der Ausdruck wird auf den Behälter geklebt und kann auch mehrfach verwendet werden.
So wissen die Kassierer später, wie viel sie vom Bruttogewicht des gefüllten Gefäßes abziehen müssen.
Gefühlte 75% der Produkte werden in „Zapfanlagen“ oder in wiederverschliessbaren Großbehältnissen vorgehalten. Die Abfüllung erfolgt per Selbstbedienung.
Das Angebot des Ladens:
Im Vorfeld war zu erfahren, dass es schwierig sei, heutzutage unverpackte Produkte geliefert zu bekommen. Gewiss: Es wäre nicht konsequent, im Laden mit Verpackungen zu geizen, sie aber in der Zulieferkette zu verprassen.
Während meines Besuchs war aber auch zu hören, dass das Angebot bewusst relativ übersichtlich gehalten werden soll.
Wer brauche denn unbedingt 4 verschiedene Reinigungsmittel, wenn es auch ein Allzweckreiniger tue?
Zum Erledigen meiner Einkaufsliste hätte ich also einige Kompromisse machen müssen:
Erdbeer- statt Heidelbeermarmelade, Olivenöl statt Leinöl
Zudem umfasst das Sortiment die meisten Grundnahrungsmittel, etwas Kosmetik, Obst und sogar eine Wodkagallone zum Abzapfen ist für die Zukunft vorgesehen.
Meine „Aha“-Erlebnisse:
- Ein Lippenpflegemittel Typ „Labelleo“, das ohne Verpackung auskommt. Ich hatte mich schon immer gefragt, warum man die Fettrolle im Labello nicht einfach wiederbefüllen kann, nachdem sie aufgebraucht ist.
- Die Zahnpastatabletten: Noch nicht getestet, aber von der Idee her clever. Man zerkaut die Tablette einfach im Mund und es entsteht eine Art Schaum, mit dem man die Zähne putzen kann. Einfach zu dosieren.
- Wein kann aus kleinen Fässern gezapft werden. Damit können Weinflaschen mehrfach genutzt werden.
- Putzmittel kommt ebenfalls aus dem Großspender.
FAZIT:
Das Konzept des „upgedateten“ Tante Emma Ladens weiß auch in der Praxis zu überzeugen. Ein Vermeiden von Müll ist stets erstrebenswert und sinnvoll.
Vielleicht schafft es „Original Unverpackt“ ja, ein leuchtendes Vorbild zu werden.
Zumindest kann nun keine große Handelskette behaupten, derartiges sei nicht realisierbar.
Ein Wermutstropfen sind die relativ hohen Preise – zugegeben, meist in „Bio“ Qualität.
Auch durch die Option des genauen Dosierens lässt sich der Preisaufschlag auf den ersten Blick nicht kompensieren.
Hier besteht Verbesserungsbedarf, denn man würde doch denken, dass unverpackte Waren im Transport um einiges leichter sein sollten und dass die Hersteller durch den Verzicht auf die Verpackung neben den niedrigeren Transportkosten nochmals bei der Herstellung sparen.
Der Verkauf von Marmelade und Milchprodukten erfolgt derzeit (noch) nicht lose. Wohl deshalb, weil eine gewisse Sauerei beim Abfüllen von solchen Produkten zu erwarten wäre.
Diese Problematik wurde also bisher elegant umschifft, wobei es auch hierfür eine hygienische Lösung geben dürfte.
Würde man ständig in solchen Läden einkaufen, würde man eine Art Routine entwickeln und wüsste genau, für welches Lebensmittel welche Verpackung mitzubringen ist.
Ob man dann beim Warten an der Kasse den neusten Klatsch und Tratsch von den anderen Kunden erfährt bleibt ab zu warten.